Wer mich kennt wird diesen Satz schon öfter von mir gehört haben: "Ich hasse Menschen". - Klar, wieso auch nicht. Menschen sind ja auch hassenswert...so im Allgemeinen. Und im Persönlichen? - Da hängt es mehr mit dem Satz "Ich bin nicht gerne unter Menschen" (auch ein Klassiker) zusammen, den viele leider gar nicht so ernst nehmen.
Ich möchte nun an Hand eines Beispieles erklären, wie genau ich das meine:
Ich habe Hunger. Nach einer 9 1/2-Stunden-Schicht darf man ja auch Hunger haben. Zu Hause gibt es...ähm...Brot, aber auf dem Nachhauseweg liegen ja genug Futterstätten. Egal wie groß der Hunger jedoch ist, ich überlege mir den Besuch dreimal und entscheide mich dann für gewöhnlich dagegen. Ich mag nicht da rein gehen wo lauter fremde (oder schlimmer noch: bekannte) Menschen sind.
Was mich heute dazu bewogen hat ein solches Etablissement aufzusuchen, ist wohl die Tatsache, dass ich ohnehin schon außerordentlich deprimiert bin und mir daher alles unwichtig ist.
Mit einem mulmigen Gefühl suche ich mir einen Parkplatz und bin erleichtert, dass es leer zu sein scheint. - Zu früh gefreut!! Auf der Außenterasse sitzt eine Gruppe Menschen, die mich länger mustern - als würden sie mich von irgendwoher kennen. Ich kenne sie aber nicht. Erwarten sie etwas von mir? Oder wollen sie was loswerden? Mit zügigen festen Schritten, aufrechter Haltung und einem Lächeln laufe ich an ihnen vorbei und nehme Augenkontakt zu einzelnen auf, dabei nicke ich kaum merklich, da ich mir nicht sicher bin, ob ich grüßen soll oder nicht. Objektiv betrachtet eine unwichtige Sache, die mir aber alles abverlangt. Meine Schultern sind locker, mein Geist ist angespannt, mein Gehirn versucht nicht nur meinen Körper, sondern auch meinen Geist in eine aufrechte Haltung zu bringen.
Endlich drinnen! Ich habe kein Problem mit der unfreundlichen Bedienung zu reden, die denkt ich wäre zu blöd um die Karte zu lesen. Sie wird dafür bezahlt mit mir zu reden und vermutlich hasst sie ihren Job. - Ich weiß wie sie sich fühlt!
Nachdem ich mein Essen habe (zum Mitnehmen natürlich - mehr ertrag ich nicht), muss ich wieder an der Menschengruppe vorbei. Peinlich Lächeln, Nicken, Augenkontakt, selbstbewusste Haltung imitieren. "Guten Appetit" sagt einer überfreundlich. "Danke" antworte ich grinsend, gespielt fröhlich und beschwingt. (Stresssituationen vertreiben Depressionen offensichtlich.)
Das Schauspiel ist aber natürlich noch nicht vorbei als ich im Auto sitze. Das Geschehene muss noch verarbeitet werden. Ich fahre also nach Hause. "Danke" wiederhole ich dabei ein paar mal gespielt fröhlich. Und dann kommt mein Mantra "Ich hasse Menschen". Das wiederhole ich die nächsten 10 Minuten bis ich zu Hause bin - immer wieder mit einen Stöhnen.
Ganz zum Schluss schlägt der Satz in ein resigniertes "Ich hasse mein Leben" um. Es gibt keinen Satz, den ich öfter verwende als diesen, aber ich achte darauf ihn möglichst nur zu sagen, wenn ich alleine bin.
Heute kommt mir außerdem der Gedanke, dass "Ich hasse Menschen" nur die Weiterentwicklung von meinem früheren Mantra "Ich hasse mich" ist. Und eigentlich gehört das auch zu den Dingen, die ich nicht öffentlich sage. Aber heute...heute ist alles egal.
In diesem Sinne.